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Echos
Bachs Atem und Chopin
Cord Garben, Klavier
Musicaphon M56993
Im Takt (das Metronom stets auf dem Instrument) soll Chopin gespielt, die linke Hand unerbittlich das Tempo gehalten haben. Von Schülern wurde auch überliefert, er habe ein Stück niemals auf die gleiche Weise gespielt, bei jedem Vortrag sei etwas anderes dabei herausgekommen. Und doch sei das Rubato-Spiel vom Komponisten keineswegs so frei gehandhabt worden, wie es in unseren Tagen allerorten zu beobachten ist.
Über Chopins Bach-Spiel im Besonderen existieren dagegen keine Berichte; verbürgt ist dagegen seine Bewunderung für den Komponisten. Die Legende, er selbst habe – nach eigener Aussage – vor einem Konzert vierzehn Tage lang ausschließlich Bach gespielt, relativieren wir deshalb und stellen uns lediglich vor, dass er vor seinen ohnehin raren Auftritten intensiv an „Bach“ gearbeitet hat.
Wir dürfen davon ausgehen, dass die Präludien und Fugen des „Wohltemperierten Klaviers“, von denen einige auch in diesem Projekt erklingen, im Zentrum seines Interesses gestanden haben.
Bei genauerem Blick auf Chopins Werke, darunter besonders diejenigen von geringerer Dimension, fallen immer wieder Module ins Auge, die wir bereits von Bach zu kennen glauben. Einzelne Takte der Préludes op. 28 (1836-1839) und Etüden (op. 10 Nr. 4) (1833/1837) könnten mit wenigen „Handgriffen“ in einen Nukleus im Bachschen Charakter retransformiert werden.
Chopins Bachverehrung bewahrt diese hoch verdichteten musikalischen Werkzeuge des Barockkomponisten bis weit ins romantische Jahrhundert. Er hat sie noch in seinen Spätwerken verwendet, wie etwa in seinem letzten Nocturne in E-Dur, welches „Bach“ gewissermaßen bilanziert.
Die vorliegende, durchaus experimentell empfundene Einspielung will durch die unmittelbare Verbindung tonartlicher, z. T. auch strukturell verwandter Werke klingend verdeutlichen, wie sehr Chopin von Bachs Werk geprägt wurde, dessen formale Stabilität mit ihren geometrischen Strukturen ihn nicht selten davor bewahrt haben dürfte, allzu viel „Flitter, Goldtand und Perlen“ auszusäen, was Robert Schumann einst dem Rivalen vorzuwerfen den Mut hatte.
Das Anliegen dieses Projektes verführte hier und da, „Chopin wie Bach“ zu spielen und mit äußerst sparsamem Gebrauch des Pedals größtmögliche Durchsichtigkeit zu erzielen. Vor allem den melodischen Schönheiten bei Bach durch einen „romantischen“ Anschlag Chopinschen Odem einzuhauchen. Der ca. 40 Jahre alte Steinway-B-Flügel wurde wegen seiner schlanken Basssektion gewählt.